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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.11.2003
Aktenzeichen: 20 W 269/03
Rechtsgebiete: BGB, BSHG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1835 Abs. 1
BGB § 1835 Abs. 4
BGB § 1836 Abs. 1 S. 2
BGB § 1836 Abs. 2
BGB § 1836 a
BGB § 1836 e
BGB § 1908 i Abs. 1
BSHG § 81 Abs. 1
BSHG § 92 Abs. 2 S. 2
BSHG § 92 Abs. 3
BSHG § 92 Abs. 4
FGG § 56 g
1. Die in § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB vorgesehene Beschränkung der Haftung der Erben für Auslagenersatz und Vergütung des Betreuers gilt nicht nur im Falle des Regresses der Staatskasse, sondern auch bei der Prüfung der Festsetzung unmittelbar gegen die Erben.

2. Bei der Ermittlung des Wertes des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalles sind die anderweitig nicht gedeckten Kosten einer angemessenen Bestattung sowie Rückforderungsansprüche des Trägers der Sozialhilfe in Abzug zu bringen.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 269/03

Entscheidung vom 10.11.2003

In dem Betreuungsverfahren

...

an dem hier beteiligt sind:

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4) gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 30. Juni 2003 am 10. November 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Nach dem Tod der Betroffenen beantragte die Beteiligte zu 3) unter dem 24. Oktober 2002, die ihr für den Zeitraum vom 25. Juni 2001 bis zum 20. Oktober 2002 als Berufsbetreuerin zustehende Vergütung nebst Auslagen und Mehrwertsteuer auf insgesamt 946,01 EUR festzusetzen. Die von ihr eingereichte Schlussrechnung wies einen Vermögensendstand zum Zeitpunkt des Todes am ... Oktober 2002 von 3.954,57 EUR aus. Das Amtsgericht setzte nach Anhörung der Erben mit Beschluss vom 28. November 2002 Auslagenersatz und Vergütung in Höhe von 843,00 EUR einschließlich Mehrwertsteuer gegen den Nachlass fest und wies den Vergütungsantrag im Übrigen mit Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 1836 Abs. 4 BGB zurück.

Hiergegen legte der Beteiligte zu 1) sofortige Beschwerde ein, mit der er die Abänderung der Entscheidung durch Festsetzung des Aufwendungsersatzes und der Vergütung gegen die Staatskasse begehrte. Er legte einen Bescheid der Stadt O1 vom 07. Januar 2003 vor, mit welchem im Hinblick auf das in der Schlussrechnung angegebene und über der Vermögensfreigrenze von 2.301,-- EUR nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG liegende Vermögen der Betroffenen die früheren Bescheide über die Bewilligung von Sozialhilfe zur Abdeckung der Heimpflegekosten ab dem 01. Juli 1999 aufgehoben und die Rückzahlung eines Betrages von 1.653,57 EUR angeordnet wurde. Des Weiteren verwies er auf die bereits vorgelegte Rechnung des Bestattungsinstitutes, wonach sich die Beerdigungskosten nach Abzug der Zahlung des Sterbegeldes auf 1.894,24 EUR beliefen.

Die Beteiligte zu 4) widersprach der Festsetzung gegen die Staatskasse und führte zur Begründung aus, das Sparbuch der Betroffenen habe lediglich den nicht einzusetzenden Schonbetrag von 4.500,-- DM aufgewiesen, so dass die Rückforderung des Sozialamtes nicht berechtigt sei. Hieran könne auch der Umstand nichts ändern, dass sich Ende September 2002 weitere Beträge auf dem Giro- und dem Taschengeldkonto befunden hätten. Im Übrigen seien weitere Absetzungen im Hinblick auf die nach dem Tod der Betroffenen entfalteten Tätigkeiten geboten.

Das Landgericht änderte mit Beschluss vom 30. Juni 2003 die Entscheidung des Amtsgerichts dahingehend ab, dass die der Beteiligten zu 3) zustehende Vergütung nebst Auslagen in Höhe von 843,-- EUR brutto gegen die Staatskasse festgesetzt wurde.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 4) mit der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht, zum Zeitpunkt des Todes der Betreuten habe das Vermögen nach Abzug der Beerdigungskosten bei 2.060,33 EUR und damit über dem Schonbetrag des § 92 c Abs. 3 BSHG gelegen. Dieser Schonbetrag finde ohnehin hier keine Anwendung, da es an einem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 1836 e BGB fehle. Der Rückforderungsanspruch des Sozialamtes könne nicht berücksichtigt werden, da er zum einen unberechtigt sei und auch keinen Vorrang gegenüber der Betreuervergütung beanspruchen könne. Des Weiteren müsse davon ausgegangen werden, dass der festgesetzte Betrag von den Erben bereits an die ehemalige Betreuerin gezahlt worden und weitere Absetzungen von der Betreuervergütung bezüglich der nach dem Tod der Betroffenen entfalteten Tätigkeiten gerechtfertigt seien.

Die Beteiligte zu 3) stellt klar, dass eine Zahlung der Erben an sie bisher nicht erfolgt ist.

II.

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vergütung und Auslagen der Betreuerin für die Tätigkeit in der Zeit vom 01. August 2001 bis zum 20. Oktober 2002 - soweit sie erstattungsfähig sind - wegen Mittellosigkeit des Nachlasses aus der Staatskasse zu zahlen sind, §§ 1835 Abs. 1 und 4, 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 1836 a, 1901 i Abs. 1 BGB.

Nach einhelliger Auffassung kann auch nach dem Tod des Betreuten die Festsetzung von Aufwendungsersatz und Vergütung des Betreuers durch das Vormundschaftsgericht im Festsetzungsverfahren gemäß § 56 g Abs. 1 FGG erfolgen ( vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 62. Aufl., § 1836 Rn. 8; HK-BUR/Bauer, § 56 g FGG Rn. 61; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 56 g FGG Rn. 33; BayObLG FamRZ 2001, 866).

Bis zum Inkrafttreten des BtÄndG zum 01. Januar 1999 entsprach es allgemeiner Auffassung, dass der Erbe für den ausstehenden Aufwendungsersatz und die Vergütung des Betreuers als Nachlassverbindlichkeit im Rahmen des allgemeinen Erbrechts nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem eigenen Vermögen haftete (vgl. Deinert, FamRZ 2002, 374, 375 m. w. N.; BayObLG FamRZ 1996, 1173), wobei er eine Beschränkung der Haftung wegen Dürftigkeit des Nachlasses nur im Rahmen einer Nachlassverwaltung bzw. eines Nachlasskonkurses erreichen konnte (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 697). Mit dem durch das BtÄndG eingeführten § 1836 e BGB wurde die Haftung des Erben für Aufwendungsersatz und Vergütung des Betreuers aus Tätigkeiten nach dem 01. Januar 1999 ausgeweitet. Sie umfasst nun auch die früheren Ansprüche des Betreuers, die die Staatskasse in den zurückliegenden 10 Jahren wegen der Mittellosigkeit des Betreuten, die sich insbesondere auch aus der Berücksichtigung von dessen Schonvermögenswerten ergeben kann, verauslagt hat. Zugleich wurde eine Besserstellung des Erben eingeführt, indem § 1836 e BGB die Haftung des Erben auf den Wert des Nachlasses begrenzt und so die Erhebung der Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 BGB und die hierzu erforderlichen haftungsbegrenzenden Verfahren nach §§ 1975 BGB auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung entbehrlich macht (vgl. Bt-Drucks. 13/7158, S. 32) und die Freibeträge und Härtefallregelung des § 92 c Abs. 3 und 4 BSHG entsprechende Anwendung finden.

Zwar ist nach dem Wortlaut des § 1836 e BGB die Haftungsbeschränkung für den Erben nur im Falle des Regresses der Staatskasse vorgesehen. Da jedoch wegen gleicher Interessenlage kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung ersichtlich ist und eine offenbare Gesetzeslücke besteht, hat sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein die Auffassung durchgesetzt, dass die Haftungsbeschränkung des § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB auch dann gilt, wenn der Erbe nach dem Tod des Betreuten unmittelbar auf die noch nicht festgesetzte Betreuervergütung und Auslagenersatz in Anspruch genommen werden soll (vgl. OLG Thüringen, FGPrax 2001, 22; BayObLG FamRZ 2001, 866 f; OLG Düsseldorf FGPrax 2002, 219 f; Deinert/Lütgens, Die Vergütung des Betreuers, 3. Aufl., 8.6.4). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an, da sachgerechte Gründe für eine unterschiedliche Behandlung des Regresses und der unmittelbaren Festsetzung der Vergütung gegen die Erben nicht gegeben sind und eine solche vom Gesetzgeber wohl auch nicht beabsichtigt war.

§ 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB wurde erkennbar in Anlehnung an den Wortlaut des § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG formuliert. Zur Bestimmung der Erbenhaftung ist gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB auszugehen von dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses. Zu dessen Ermittlung kann deshalb auf die zu § 2311 BGB und dem gleichlautenden § 92 c Abs. 2 Satz 2 BSHG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Maßgeblich ist danach das Aktivvermögen des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten (vgl. OLG Thüringen, a.a.O.; Deinert, a.a.O. S. 376 Damrau/Zimmermann, a.a.O., § 1836 e BGB Rn. 16; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1836 e Rn. 17; sowie zu § 92 c BSHG: BVerwGE 66, 166 und 90, 250; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 92 c Rn. 16 ff; Fichtner, BSHG, § 92 c Rn. 11). Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen sowohl die bereits zu Lebzeiten in der Person des Erblassers entstandenen rechtlichen Verpflichtungen als auch diejenigen Verbindlichkeiten, die zwar erst in der Person des Erben entstehen, deren Rechtsgrund aber bereits beim Erbfall bestand (vgl. Palandt/Edenkofer, a.a.O., § 2311 Rn. 4).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des Landgerichts über die Festsetzung gegen die Staatskasse rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht ist zunächst zutreffend in Übereinstimmung mit der von der Beteiligten zu 3) erstellten und vom Vormundschaftsgericht im Rahmen der Überprüfung nicht beanstandeten Rechnungslegung von einem Vermögen der Betroffenen zum Zeitpunkt des Todes in Höhe von 3.954,57 EUR ausgegangen. Es hat hiervon zunächst als Nachlassverbindlichkeit zu Recht die nicht anderweitig abgedeckten und durch Rechnung belegten Kosten der Bestattung in Höhe von 1.894,24 EUR in Abzug gebracht (vgl. hierzu OLG Thüringen, a.a.O., OLG Düsseldorf, a.a.O., Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1908 d BGB Rn. 15; HK-BUR Wienhold-Schött/Deinert, § 1836 e Rn. 20; Soergel/Zimmermann, a.a.O., § 1836 e Rn. 17), an deren Angemessenheit kein Zweifel besteht (vgl. BayObLG NJW-RR 2002, 1229).

Rechtlich nicht zu beanstanden ist des Weiteren die Berücksichtigung des Rückforderungsanspruches des Sozialhilfeträgers in der geltend gemachten Höhe von 1.653,57 EUR. Dieser Rückforderungsanspruch war zwar zum Zeitpunkt des Todes der Betroffenen noch nicht förmlich festgesetzt. Dem Rechtsgrund nach war dieser Anspruch des Sozialhilfeträgers jedoch bereits zu Lebzeiten der Betroffenen entstanden, da deren Vermögen die maßgebliche Schongrenze nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung von 2.301,-- EUR überschritt. Entgegen dem Einwand der Beteiligten zu 4) bestehen berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Rückforderungsanspruches des Sozialhilfeträgers nicht, da nicht nur das Sparbuch der Betroffenen jedenfalls seit Juli 1999 fortlaufend ein den Schonbetrag knapp überschreitendes Guthaben aufwies, sondern zusätzlich auch das Girokonto jedenfalls seit Anfang 2002 konstant mit Beträgen zwischen 876,28 EUR bis 1.449,80 EUR Guthaben aufwies (vgl. Palandt/Edenkofer, a.a.O., § 2311 Rn. 6). Nach Abzug dieses Rückforderungsbetrages verbleibt ein Nachlasswert von 406,76 EUR. Dieser liegt deutlich unter dem den Erben hier nach § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB i. V. m. § 92 c Abs. 3 Nr. 1 und § 81 Abs. 1 BSHG verbleibenden Freibetrag von 1.619,26 EUR.

Danach ist eine Haftung der Beteiligten zu 1) und 2) als Erben der Betroffenen für den Aufwendungsersatz- und Vergütungsanspruch der Berufsbetreuerin ausgeschlossen, so dass das Landgericht zutreffend auf die Beschwerde eine Festsetzung gegen die Staatskasse vorgenommen hat.

Die Entscheidung des Landgerichts ist des Weiteren der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat wegen der Ausschlussfristen der §§ 1835 Abs. 1 Satz 3, 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB zutreffend eine Vergütungsfähigkeit der Tätigkeiten vom 25. Juni 2001 (105 Minuten/12 Fahrtkilometer) abgelehnt. Für die Zeit nach dem Tod der Betroffenen und der hierdurch bedingten Beendigung des Betreueramtes sind nur noch die unabwendbar notwendigen Maßnahmen vergütungsfähig. Deshalb hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die am 05. Oktober 2002 entfalteten Tätigkeiten (50 Minuten/5 Telefoneinheiten/14 Fahrtkilometer) nicht zu berücksichtigen sind. Werden die Positionen vom 25. Juni 2001 und 05. Oktober 2002 von dem von der Beteiligten zu 3) eingereichten Antrag in Abzug gebracht, so errechnet sich ein verbleibender Gesamtbetrag für Aufwendungsersatz und Betreuervergütung einschließlich Mehrwertsteuer in Höhe von 850,07 EUR. Da jedoch nur die Beteiligte zu 4), nicht aber auch die Beteiligte zu 3) Rechtsmittel eingelegt hat, muss es nach dem Grundsatz der reformatio in peius bei dem vom Landgericht zugesprochenen und gegen die Staatskasse festgesetzten Gesamtbetrag von 843,-- EUR verbleiben.

Ende der Entscheidung

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